mediathek philosophy on stage #3

Soundcheckphilosophiemaschine // Performance-Text

Rainer Totzke / Kurt Mondaugen

Rainer Totzke / Kurt Mondaugen // Soundcheckphilosophiemaschine // Philosophy On Stage #3


ABLAUFPLAN

AUFTRITT Rainer Totzke:


Soundcheck / Sprechprobe 1:

„Ich weise nur darauf hin, dass es vielleicht angebracht wäre, wenn die Philosophen sich entschließen würden zu überlegen, was es überhaupt heißt, zu anderen zu sprechen.“

Martin Heidegger: Grundbegriffe der Aristotelischen Philosophie, S. 169 f.


Soundcheck / Sprechprobe 2:

“Wie Sie sich erinnern, wollen wir ein paar Fälle unterscheiden (nu rein paar, hilf Himmel!), in denen etwas sagen etwas tun heißt; in denen wir etwas tun, dadurch, dass wir etwas sagen und indem wir etwas sagen. Man stößt auf diese Frage (neben vielen anderen), seit man neuerdings eine uralte philosophische Annahme in Frage stellt – daß Etwas sagen in allen beachtenswerten Fällen, d. h. in allen beachteten Fällen, bloß darauf hinauslaufe etwas festzustellen. Diese Annahme ist zweifellos nicht bewusst, ist außerdem zweifellos falsch, aber anscheinend in der Philosophie das Natürlichste von der Welt.“

John Langshaw Austin: How to do things with words, S. 35


Soundcheck / Sprechprobe 3:

„Führe dir die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele an diesen Beispielen, und an anderen, vor Augen:

Befehlen und nach Befehlen handeln –

Beschreiben eines Gegenstandes nach dem Ansehen, und nach Messungen –

Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) –

Berichten eines Hergangs –

Über den Hergang Vermutungen anstellen –

Eine Hypothese aufstellen und prüfen –

Darstellen der Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen und Diagramme –

Eine Geschichte erfinden; und lesen –

Theater spielen –

Reigen singen –

Rätsel raten –

Einen Witz machen –

Ein angewandtes Rechenexempel lösen –

Aus einer Sprache in die andere übersetzen –

Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten.“

Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen § 23

Herzlich willkommen zur Lecture-Performance „Soundcheck/Philosophie/Maschine“, auch im Namen meines im Moment noch abwesenden Koautoren und Mitsprechers, des Spoken-Word-Literaten Kurt Mondaugen.

Gemeinsam mit ihm werde ich in den folgenden 30 Minuten das selbstreflexive Experiment einer empraktischen Sprecherprobung philosophischer Texte unternehmen.

Gemeinsam heißt: wir werden unsere Sprecherprobungen nacheinander vornehmen:

Zunächst werde ich hier am philosophischen Büchertisch etwas sagen bzw. auf etwas hinzuweisen versuchen, und danach wird Kurt Mondaugen dort drüben ans Mikrofon treten und auf seine Art noch einmal das Gleiche sagen bzw. zeigen, – danach werde wieder ich hier am Tisch sprechen, dann wieder Mondaugen – usw.


Soundcheck / Sprechprobe 4:

Soundcheck-Philosophie – eine Sprechprobe:

Wer wir sind, erfahren wir ganz wesentlich durch unser eigenes Sprechen, das Sprechen (oder Nachsprechen) verschiedener eigener (oder fremder) Worte, Sätze oder Texte in wechselnden Kontexten mit den entsprechenden Erwartungshaltungen auf Seiten der Zuhörer bzw. unseren eigenen impliziten Zuschreibungen dieser Erwartungshaltungen an diese Zuhörer. Die Sprache ist das Haus des Seins, sagt Heidegger.

Wer ich bin, erfahre ich vor allem dann, wenn ich über Dinge spreche, die mich selbst angehen, die mir aus irgendeinem Grunde existentiell mitteilenswert und mitteilensnötig erscheinen. Doch was genau geschieht mit mir, wenn ich von bestimmten, mir wichtigen Dingen spreche und wenn ich dies in wechselnden Kontexten, mit verschiedenen Sprechberechtigungen, konfrontiert mit wechselnden Erwartungen und Erwartungserwartungen tue.

Soundcheck-Philosophie

Wie geht es mir mit der jeweiligen eigenen Textperformance?

Wem und was setze ich mich aus?

Was sind die passenden Sprechsituationen für mich? Welchen weiche ich aus? Vor welchen habe ich Angst?

Wie verändere ich das, was ich sagen will, jeweils in der Sprechsituation und inwieweit ist mir das bewusst?

Wann bin ich von den Texten, die ich spreche oder sprechen soll oder glaube sprechen zu sollen, überfordert?

Soundcheck-Philosophie

Wie ist es, wenn ich eigene, und wie, wenn ich fremde Texte vorlese?

Wer bin ich, wenn ich spreche?

Wer möchte ich im Sprechen sein?

Wie verändert das, was ich sage, mich selbst?

Soundcheck-Philosophie

Was passiert, wenn ich philosophische Texte aus ihrem jeweiligen „Normalsprechkontext“ herausnehme und in den jeweils anderen hineinsetze, wenn ich philosophische Texte etwa als literarische aufsagt und umgekehrt? Werden bestimmte philosophische Wahrheiten schal, wenn ich sie in einem anderen Modus oder Kontext ausspreche / ausprobiere? Und umgekehrt: Können Texte, die in einem Vortragsmodus bzw. in einem Kontext sinnlos, falsch, absurd wirken, in einem anderen Modus plötzlich Gehalt gewinnen, Sinn entwickeln, „wahr“ werden.

Soundcheck-Philosophie

Es geht darum, philosophische Texte sprechend in vielfältiger Weise auszuprobieren.

Es geht um Textsprecherprobungen und vielleicht auch um das sprechende Neuabmixen von Wahrheiten. Es geht um eine Philosophie der Performanz und der Performance.

Soundcheck-Philosophie

Es geht vielleicht auch um Text-Exzorzismus. Es geht um eine sprechexperimentelle Transformation des Publikums und des Sprechers von Philosophie.

Herzlich willkommen also zur folgenden praktischen Abenteuertour durch das Sein-im-Sprechen, zum Sprecherprobungsexperiment Soundcheck Philosophie Maschine bei dem eine Loopstation sowie Texte von folgenden Autoren zum Einsatz kommen: Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, John Austin, Jacques Derrida, Rainer Totzke, Kurt Mondaugen und Richard Rorty.


Soundcheck / Sprechprobe 5:

„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)

Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, Abschnitte: 6.5.4 und 7



Soundcheck / Sprechprobe 6:

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Die Stille stillt, indem sie Welt und Dinge in ihr Wesen austrägt. Das Austragen von Welt und Ding in der Weise des Stillens ist das Ergebnis des Unter-Schiedes. Die Sprache, das Geläut der Stille, ist, indem sich der Unter-Schied ereignet. Die Sprache west als der sich ereignende Unter-Schied für Welt und Dinge.

Martin Heidegger: Unterwegs zur Sprache, Seite 30
AUFTRITT KURT MONDAUGEN


Soundcheck / Sprechprobe 7:

TEXT: Soundcheck Philosophie

(normalsprachlich:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

(flüsternd:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

(skandierend:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

(murmelnd:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

(fragend:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

(schreiend:)

„Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.“

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

Wovon ich nicht sprechen kann, darüber kann ich immer noch: schreien, stammeln, beten, raunen, grüßen, fluchen, murmeln, danken! Es gibt eine Philosophie der Performanz und eine Philosophie der Performance! Es gibt Philosophieanfälle und es gibt so etwas wie automatisches Philosophieren zur Selbsterfindung und Selbstüberwindung! Es gibt rauschhaftes Philosophieren zur Selbsttransformation… – eine Art zu philosophieren, bei der ich nicht kontrolliere, was ich sage, sondern ausprobiere, was ich sage.

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Aber das ist doch keine Philosophie! Das sucht doch keine Wahrheit! Aber wer sagt das? Wer spricht da jetzt? Welche Stimme aus dem Off macht mich verantwortlich? Meine Stimme? Aber wer bin ich, hinter dem Rücken der Worte, die ich spreche, schreibe, kontrolliere, auswendig lerne?! Wo gelange ich hin? – Sprechanfälle, Sprechdurchfälle, Logorrhoe Philosophieanfälle: Was ist das – „Ergriffen-sein von Philosophie“? – Vom „Staunen“? Und es wieder hinstellen lernen – einfach so, und es ironisieren lernen, um es zu verstehen! Was ist das – Wahrheit?

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Wahrheit ist das, antworte ich, wofür wir sterben würden, wenn wir wer anders wären, sagt jemand. Und der radikale Zweifel selbstverständlich: wer bin ich, wenn ich spreche, das System des Sich-im-Sprechens-Vernehmens selbstverständlich, die Zitate aneinanderreihen können, ist das schon alles?! – Du mystifizierst da gerade etwas! – Das lässt sich doch klar sagen! – Und die abendländische Metaphysik?! – Um Gottes Willen …! – Die bürgerliche Gesellschaft! Der kapitalistische Verblendungszusammenhang?! – Du steigerst dich da in was rein…! – Du redest dich da in was rein und raus! – Ich zitier’ doch nur! – Aber was ist mit dem Kontext? – Alles ist mit dem Kontext! – Nein nicht alles! – Zum Beispiel?

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Gib mir ein Einsprechthema! – Beten, fluchen, grüßen, danken!!! – Und noch einmal neu anfangen mit Denken! – Aber andere haben dieses Problem nicht: zu denken und daran zu verzweifeln! – Sich einzuverleiben: all diese unsicheren Wahrheiten – dieses Sprechen! – Wer bitte soll das alles aushalten?

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Ich höre Stimmen! – Wer bin ich, mit wie vielen Stimmen spreche ich? Mit wie vielen Stimmen schwafle ich? Durch den Sprechnebel hindurch immer nur die eine Sache sagen. Den einen Satz und dann den zweiten:

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Ich ist ein anderer, werde ich sagen. Aber dabei immer kohärent bleiben und nachvollziehbar mit diesem Satz! – Und die Inferenzen ausleuchten! – Und diesen Satz zu anderen sprechen und keine Privatsprache daraus machen: Immer wieder nur diesen einen Satz sagen, bis er wahr wird. Für diesen Satz einstehen oder für den nächsten. Bis er ein Mantra wird, das uns transformiert, das uns überwindet:

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Ein liberales Mantra: Das Mantra immer wieder sprechen und zugleich daneben stehen, neben diesem Satz und spüren, wie er sich anfühlt beim sprechen, und die ewige Redundanz aushalten dabei wieder und wieder:

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Aber philosophisch doch der Wahrheit verpflichtet sein, verpflichtet bis zur Unkenntlichkeit, wovon ich nicht sprechen kann, das kann ich auf den Begriff bringen, hinter eurem Rücken, zumindest die Worte schlachten, ausweiden, wieder und wieder. Aber auch das habe ich erst wirklich verstanden, wenn ich es ironisiert habe, sagt jemand, nicht ich jetzt schon wieder und

– „Die Sprache spricht als das Geläut der Stille. Wovon man nicht sprechen kann…“ –

Wovon man nicht sprechen kann? Wovon ich nicht sprechen kann?

– Vom Sound der Philosophie?

– Gebt mir endlich eine Soundcheckmaschine! – Damit ich weiß wovon ich rede!

AUFTRITT Rainer Totzke



Soundcheck / Sprechprobe 8:

„Wenn ich spreche, habe ich nicht nur das Bewusstsein, bei dem zu sein, was ich denke, sondern auch, jeglichen Signifikanten meinem Denken anzunähern. (…) Nicht nur scheinen sich Signifikant und Signifikat zu vereinigen, sondern in dieser Verschmelzung scheint der Signifikant zu erlöschen oder durchsichtig zu werden, um dem Begriff die Möglichkeit zu geben, sich selbst als das zu zeigen, was er ist als etwas, das auf nichts anderes als seine eigene Präsenz verweist.“

Jacques Derrida, „Semiologie und Grammatologie“, in: Positionen, S. 60


Soundcheck / Sprechprobe 9:

„Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort ‚dieses’. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, dass Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe des Gegenstands.“

Ludwig Wittgenstein Philosophische Untersuchungen § 38


Soundcheck / Sprechprobe 10:

„Das System des ‚Sich-im-Sprechen-Vernehmens’ durch die Lautsubstanz hindurch – (…) – musste während einer ganzen Epoche die Geschichte der Welt beherrschen und hat sogar die Idee der Welt und, ausgehend von der Differenz zwischen dem Weltlichen und dem Nicht-Weltlichen, dem Draußen und dem Drinnen, der Idealität und der Nicht-Idealität, dem Universalen und dem Nicht-Universalen, dem Transzendentalen und dem Empirischen usw., die Idee des Ursprungs der Welt hervorgebracht.“

Jacques Derrida, Grammatologie, S. 19

Das System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens –

Das System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens –

Das System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens –

– Wie hätte Derrida die Erfindung einer Loopstation für die Philosophie reflektiert?

AUFTRITT KURT MONDAUGEN


Soundcheck / Sprechprobe 11:

LOOPSTATION Philosophie

Das System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens!

Das System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens!

Das System des Sich-wieder-und-wieder-im-Sprechen-Vernehmens!

Das System des Sich-im-Philosophieren-Vernehmens,

Das System des Sich-im-Erklären-Vernehmens

Das System des Sich-im-Rechthaben-Vernehmens

Das System des Endlos-vor-sich-Hinsprechens und des Sich-Vernehmens-dabei

Wie dieses System zum Beispiel:

diese Loopstation,

dieses Derrida-Desaster, dieses Derridada-Desaster – das wovor sich Derrida am meisten gefürchtet, das, was er am meisten herbeigesehnt hat, eine Loopstation für die Philosophie, ein technisches System für das Sich-im-Sprechen-Vernehmen! – Und sich das auch gleich noch sagen hören jetzt, durch die Loopstation hindurch, dass das Wesen der Technik nichts Technisches ist zum Beispiel, dass die Sprache feiert, wo die philosophischen Probleme entstehen und sich auch das wieder und wieder sagen hören und endlos vor sich hinsprechen – diese philosophischen Sätze oder Begriffe, wie „Metaphysik“ beispielsweise oder das „System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens“ oder „Loopstation“ eben jetzt – und dazwischen Atmen und beim Atmen die Einheit des Atems und des Begriffs herstellen und sich zuhören dabei unwillkürlich, und dies alles auch wirklich so meinen, was Philosophie ausmacht, dieses endlose Sich-im-Plausibilisieren-vernehmen und von Wiederholung sprechen dabei wie Derrida vor jedem Mikrofon zurückweichen zunächst, vor jedem Rückkopplungseffekt, vor jedem Fiepsen, das zum Erschrecken wird. Und dann doch nicht mit dem Mikrofon zu nah vor die Lautsprecherboxen treten beim Sprechen die Bedienungsanleitung für die Loopstation befolgen und mit rauer, körniger Stimme stockend, stotternd und stammelnd selber dieses Derrida-Zitat murmeln: „Denn es gibt kein Wort, noch allgemein ein Zeichen, das nicht durch die Möglichkeit seiner Wiederholung konstruiert ist.“ Und auch diesen Satz durch die Loopstation drehen wie durch den Fleischwolf der Sprache und sprechen und sich zuhören dabei, wie es arbeitet in uns: das System des Sich-im-Wiederholen-Vernehmens. Das System des Sich-endlos-im-Wiederholen-Vernehmens, das System dessen, was Philosophie ausmacht: Identität und Differenz, die ewige Wiederkehr des Gleichen, und auch das aussprechen und ja sagen dazu, und dabei endlich zur Sache kommen, oder zu den Sachen selbst und die Sachen dann doch noch zusammenkriegen vielleicht, sich wundern über die Phänomene, und das Phänomen der eigenen Stakkato-Stimme, dass man sich fremd wird, wenn man sich da so sprechen hört, als embodied cognition diese endlosen Echoeffekte beim Rumschreien wiedergeben und sich richtig wiedergegeben fühlen in dieser Loopstation und sich so implizit reden hören vom „Ereignis Loopstation“, von der tranzendentalen Unendlichkeit des Sinns, die eingebaut ist in diese Loopstation und in die man hineinsprechen und aus der man heraushören kann, die reflexive Uneinholbarkeit aller Worte und Benennungen zum Beispiel und deren philosophische Komik: „Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand“ mit Wittgenstein sich sagen hören: „Dies ist eine Loopstation!“ und dabei auf einen Gegenstand – wie diese Loopstation zum Beispiel – vor sich hin zu starren und dabei unzählige Male diesen Namen „Loopstation“ zu wiederholen, oder auch das Wort ‚dieses’. „Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert.“ Und auch darüber einfach mal drüber weg sprechen und über sich selber auch hinweg modulieren, noch mal anders das sagen, mit dieser Loopstation, was man gemeint hat damit in der Schnellsprechanlage der modernen Technik, so bekannte Zitate zum Beispiel als Wiederholung der Philosophischen Untersuchungen: „Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also nur beschreiben. Denn sie kann ihn auch nicht begründen. Sie läßt alles wie es ist.“ – Philosophie ist wie diese Loopstation, spricht Wittgenstein an dieser Stelle in mir oder Foucault oder Goodman oder Kleist in Metaphern meinetwegen beim Sprechen das Außen denken zum Beispiel oder die Expressivität oder die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden in der Feedbackschleife der Vernunft und auch das jetzt vernehmen in dieser Loopstation, und beim Sprechen die ideale Sprechsituation herstellen gleichzeitig oder zumindest herzustellen versuchen, und dafür jetzt hier nach vorn auf die Bühne gehen und eine Performance daraus machen, aus allem und aus diesem Sprechakttext von John Austin auch, wenn er sagt, wenn ich sage:

„In ganz besonderer Weise sind performative Äußerungen unernst oder nichtig, wenn ein Schauspieler sie auf der Bühne tut (…). Unter solchen Umständen wird die Sprache auf ganz bestimmte, dabei verständliche Weise unernst gebraucht, und zwar wird der gewöhnliche Gebrauch parasitär ausgenutzt.“

– Und sich auch gleich wieder vernehmen dabei, wie man das sagt oder von der Loopstation gesagt bekommt wieder und wieder und sich am Ende die Frage stellen, ob das alles nun Kunst sei oder Philosophie? – Und zum Schluss dann Hegel zitieren dazu, zum Schluss am besten immer Hegel zitieren – Doppelpunkt:

„Uns gilt die Performance-Kunst nicht mehr als die höchste Weise, in der die Wahrheit sich Existenz verschafft.(…) Man kann wohl hoffen, dass die Performance-Kunst immer mehr steigen und sich vollenden werde, aber ihre Form hat aufgehört, das höchste Bedürfnis des Geistes zu sein.“

Oder vielleicht am Ende dann doch lieber Wittgenstein sich beim Sprechen vernehmen lassen:

„WAS GEZEIGT WERDEN KANN, KANN NICHT GESAGT WERDEN!“


AUFTRITT Rainer Totzke


Soundcheck / Sprechprobe 12:

„Für ironistische Theoretiker ist die Geschichte des Glaubens an eine geschichtslose Weisheit und der Liebe zu ihr gleichbedeutend mit der Geschichte einer Folge von versuchen, ein abschließendes Vokabular zu finden, das nicht nur das abschließende Vokabular der einzelnen Philosophen, sondern ein in jedem Sinne abschließendes Vokabular ist – kein bloß idiosynkratisches historisches Produkt mehr, sondern das letzte Wort, das Wort, in dem Forschung und Geschichte zur Konvergenz gekommen sind, das weitere Forschung und Geschichte überflüssig macht.

Das Ziel ironistischer Theorie ist es, den metaphysischen Drang, den Drang zum Theoretisieren, so gut zu verstehen, dass man frei von ihm wird. Die ironistische Theorie ist also eine Leiter, die man wegwerfen kann, sobald man herausgefunden hat, was die eigenen Vorgänger zum Theoretisieren getrieben hat. Eine Theorie des Ironismus wäre das letzte, was ironistische Theoretiker wollen oder brauchen.“

Richard Rorty: Kontingenz, Ironie Solidarität, S. 163f.


Soundcheck Sprechprobe 13:

„Die Probleme, die durch das Missdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen: sie wurzeln so tief in uns wie die Formen unserer Sprache, und ihre Bedeutung ist so groß wie die Wichtigkeit unserer Sprache. Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz als tief? (Und das ist ja die philosophische Tiefe.)“

Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, § 111


Soundcheck Sprechprobe 14

„In ganz besonderer Weise sind performative Äußerungen unernst oder nichtig, wenn ein Schauspieler sie auf der Bühne tut oder wenn sie in einem Gedicht vorkommen (…)“

John Austin, How to do things with words, S. 43

AUFTRITT KURT MONDAUGEN


Soundcheck Sprechprobe 15 TEXT/Gedicht:

Zum Schluss ein Stück Konkrete Philosophie als konkrete Poesie

Es heißt:

Signalsprache und Redundanzmetaphysik

oder: Tief in den semantischen Feldern

(für Ludwig Wittgenstein)

Tief in den semantischen Feldern

Tief in den semantischen Feldern

Da steh’n wir mit Feuermeldern

Die sich von selber verstehen

Und die Bedeutungsfrage umgehen

und die sich auch nur selber meinen

und dabei unsere Sehnsucht verneinen

Nach existentiellen Rissen

In der Sprache und nach Sinn-Überschüssen

denn sie lassen alles so, wie es ist, wie es war

Ja, Feuermelder sind einfach wunderbar

Dort in den semantischen Feldern

Tief in den semantischen Feldern

Tief in den semantischen Feldern

Da steh’n wir mit Feuermeldern

Die sich niemals innerlich winden

Und die auch nichts dazu erfinden

Die praktisch was tun, statt sich uns zu erklären

die Innerlichkeits-Diskurse verwehren

die statt was zu sagen, sich einfach nur zeigen

Da sind Feuermelder eben ganz eigen

Und auch ontologisch sind sie ganz klar

Feuermelder sind einfach wunderbar

Dort in den semantischen Feldern

Tief in den semantischen Feldern

Geh ich durch semantische Felder

Da kommen die Gedanken von selber

Gedanken an Feuermelder

Als Metaphern zum Beispiel oder als Konjunktionen

Zwischen verschiedenen Philosophie-Traditionen

stehen Feuermelder in Propositionen

bereit für symbolische Interaktionen

Doch irgendwann gehen sie wieder vorbei

weil: Gedanken, die sind eben so frei

am freisten jedoch, das versteht sich von selber

Sind Gedanken an Feuermelder

Frei sind sie manchmal nur nicht ganz

Von einer gewissen Redundanz

Tief in den semantischen Feldern

Tief in den semantischen Feldern


Schluss:

So, das möchte ich jetzt nicht so stehen lassen, sondern von Fragen der ironistischen Erkenntnistheorie und der ironistischen Symbol- und Sprachanalyse zum Ende dann doch noch einmal auf ein eher lebenspraktisches Thema hinüberleiten:

Auf die Frage nach dem Sinn des Daseins und nach den Möglichkeiten der lebensweltlichen Kontingenzbewältigung in der Spätmoderne, in der wir leben und in der Sinn bekanntlich zu einem knappen Gut geworden ist, zumal der Sinn des Lebens.

Diese Problematik sollte an der Literatur, aber vielleicht auch an der Philosophie nicht spurlos vorbeigehen und ich möchte zum Abschluss eine bestimmte lebens- und weisheitsphilosophische Traditionslinie vormoderner Kulturen aufnehmen und zwei in diesem Sinne „philosophische“ Schamanengedichte aufsagen:

Schamanengedicht I

Rat des alten Schamanen an die westliche Zivilisation

Tut Euer Bestes!

Haltet Euer Tipi sauber

und versucht,

gute Menschen zu sein

und hört ab und zu Musik

von John Cage

oder von Stockhausen

Das ist schon alles

was ich euch sagen kann!

Ach so –

ganz wichtig noch: –

ATMET!

Schamanengedicht II

Schamanengesicht

Wir sind wie Plastiktüten

Im Wind

Wenn der Herbst kommt

Wehen wir nach Süden

Und von Norden treibt Schnee

Hinterher

So war es immer

how!

So wird es immer sein!

– ATMET JETZT!


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